Christchurch-Attentäter zu lebenslanger Haft verurteilt (2024)

Der australische Rechtsextremist Brenton Tarrant hat für seinen Terroranschlag in Neuseeland eine lebenslange Haftstrafe erhalten.

Matthias Stadler, Christchurch

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Die Erleichterung ist in Neuseeland fast mit den Händen zu fassen. Brenton Tarrant, der 29-jährige Terrorist, der am 15.März 2019 in Christchurch bei einem Anschlag auf zwei Moscheen 51 Menschen erschoss und 40 weitere Personen verletzte, ist am Donnerstag zu lebenslanger Haft ohne Chance auf Bewährung verurteilt worden.

Da der Australier sich im März dieses Jahres schuldig bekannt hatte, 51-fachen Mord, 40-fachen versuchten Mord und einen terroristischen Akt begangen zu haben, wurde ein Strafprozess laut neuseeländischem Recht obsolet. Einzig die Urteilsverkündung stand noch aus. Diese fand von Montag bis Donnerstag statt.

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In den ersten drei Tagen hatten die Opfer und Angehörigen in Christchurch das Wort. 90 Personen wandten sich im Gerichtssaal direkt an den Täter. Das Spektrum reichte von einer jungen Frau, die seit dem Attentat an den Rollstuhl gebunden ist, über Teenager, die Angehörige verloren, bis hin zu Vätern, deren Kinder im Kugelhagel starben. Von Tag zu Tag wurde die Stimmung emotionaler, die Angehörigen wütender. «Ratte», «Monster», «Feigling», «Teufel» – manche der Opfer liessen ihrer Wut freien Lauf.

Die Frage nach dem Warum

Mehrere arabischstämmige Sprecher grüssten die Anwesenden im Gerichtssaal mit «Salam aleikum (Friede sei mit euch), ausser mit dir», wobei sie auf den Täter zeigten. Viele berichteten von Traumata, die sie seit dem Anschlag hätten. «Ich kann nicht mehr schlafen, nicht mehr arbeiten. So will ich nicht leben», sagte eine Frau unter Tränen. Zentral war auch die Frage nach dem Warum. Wieso der Hass auf Muslime? Wieso mussten Unschuldige, ja gar Kleinkinder ihr Leben lassen?

Richter Cameron Mander liess sämtliche Gefühlsausbrüche zu. Brenton Tarrant seinerseits blickte die Sprecher jeweils an, zeigte aber so gut wie nie eine Regung. Einzig am ersten Tag schien er für einen kurzen Augenblick betroffen, als sich Janna Ezat an ihn wandte. Der Australier hatte beim Attentat ihren Sohn erschossen. Sie sagte: «Er hat mir immer Blumen zu meinem Geburtstag geschenkt. Jetzt habe ich seine Leiche erhalten.» Dann fügte sie an: «Ich habe mich entschieden, Ihnen, Herr Tarrant, zu vergeben, weil ich keinen Hass habe. Ich vergebe Ihnen.»

«Es war ein feiges Massaker»

Am Donnerstag war die Zeit des Richters gekommen. In einem zweistündigen Monolog liess Cameron Mander den Ablauf des Terroranschlags nochmals Revue passieren – dabei legte er sein Augenmerk auf die Opfer. Die Namen jedes einzelnen Getöteten, jeder einzelnen Verwundeten zählte er auf. Er wandte sich direkt an Tarrant: «Sie haben einen Massenmord begangen, Sie haben Unbewaffnete abgeschlachtet. Es war ein feiges Massaker.» Die Opfer hätten Szenen erleben müssen, die niemand je erleben sollte.

Die Frage stand im Raum, ob es für den Täter eine lebenslange Strafe mit oder ohne Chance auf Bewährung geben wird. Tarrant zeigte laut dem Richter während Gesprächen mit Psychologen im Gefängnis eine gewisse Einsicht und Reue, doch nicht wegen der Opfer, sondern es gehe um ihn selber. Der Richter fragte bezüglich der grösstmöglichen Strafe – lebenslang ohne Bewährung: «Wenn nicht jetzt, dann wann?» Und beantwortete sie kurz darauf mit dem Strafmass gleich selber.

Die Strafe ist historisch für Neuseeland. Die höchste Strafe zuvor war für einen Mörder ausgesprochen worden, der 2001 drei Menschen umbrachte und dafür 30 Jahre Freiheitsentzug erhielt, danach kann eine Bewährung geprüft werden.

Brenton Tarrant nahm das Urteil regungslos hin. Er hatte zuvor per beistehendem Anwalt bekanntgegeben, dass er für die vom Staatsanwalt geforderte Strafe, die der Richter schliesslich auch aussprach, keine Einwände habe und auch das Wort nicht ergreifen wolle.

Wird Täter nach Australien ausgeschafft?

Nach der Urteilsverkündung in Christchurch blieb es ruhig im Gerichtssaal. Auch im Gerichtsgebäude, wo sich mehrere hundert Angehörige und Opfer befanden, hielten sich die Leute zurück. Als sie daraufhin nach draussen traten, wurden sie von Hunderten von Personen empfangen, die ihnen zujubelten und klatschten. Viele Opfer sprachen von einer Genugtuung.

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Auch Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern wandte sich mit einer Mitteilung an die Betroffenen: «Nichts wird den Schmerz lindern können, aber ich hoffe, Sie fühlen die Arme Neuseelands um sich.»

Nun steht eine mögliche Ausschaffung im Raum. Vizepremierminister Winston Peters will den Australier in sein Heimatland zurückbringen lassen, wie er gleich nach der Urteilsverkündung mitteilte. Die Kosten für dessen Haft seien immens und sollten nicht dem neuseeländischen Steuerzahler aufgebürdet werden. Ob das passiert, ist offen, da Neuseeland kein entsprechendes Abkommen mit Australien hat. Premierministerin Ardern sagte, diese Angelegenheit müsse an einem anderen Tag besprochen werden. Der australische Premierminister Scott Morrison teilte mit, es sei «richtig, dass wir nie wieder etwas von ihm sehen oder hören werden».

Manche Vertreter der muslimischen Gemeinde sprachen sich während der Anhörung in Christchurch allerdings dagegen aus. Tarrant solle in Neuseeland eingesperrt bleiben, da man so garantieren könne, dass er auch in Gefangenschaft bleibe.

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